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CP 2009

Das Gesamtexposé zum Collegium Pontes 2009 können Sie hier herunterladen.

Das Collegium Pontes 2009 entfaltet eine für Europa noch ungewöhnliche Perspektive für die Betrachtung von Minderheiten. Üblicherweise folgt die einschlägige Forschung dem neueren Völkerrecht, das Gruppenrechte postuliert, sich schützend vor nationale Minderheiten stellt und deren Interessen zu berücksichtigen sucht. Das CP 2009 stellt demgegenüber die jeweilige Mehrheit in den Mittelpunkt der Überlegungen. Gibt es einen erfaßbaren Mehrwert für die Mehrheitsbevölkerung durch ihr Zusammenleben mit Minderheiten? Welche Effekte gehen von den sogenannten Kleinen Sprachen bzw. Kleinen Kulturen aus? Welchen Nutzen haben Mehrheitsbevölkerungen von der positiven Diskriminierung ihrer Minderheiten, welchen Nachteil von ihrer negativen Diskriminierung?

Wohlfahrt und Wohlergehen aller sind Bedingungen des inneren Friedens – „Civitatem melius tutator amor civium quam alta propugnacula / Bürgerliebe schützt die Stadt besser als hohe Schutzwehren“, heißt es noch heute an der Görlitzer Ochsenbastei. Die Forschungsfrage des CP 2009 „Gibt es einen Mehrwert für die Mehrheitsbevölkerung durch ihr Zusammenleben mit Minderheiten?“ ist eine politische, eine kulturelle und eine ökonomische Fragestellung. Ein aktuelles Beispiel für das allmähliche Erkennen dieses Mehrwerts bietet die Zuwanderung von mehreren hundert polnischen Familien und Einzelpersonen in Löcknitz und anderen Orten in Vorpommern. Die Region ist von deutscher Entvölkerung gekennzeichnet. Polen wirken nun einerseits mit als Mitglieder der deutschen Parteien in den anstehenden Kommunalwahlen 2009, in Kirchen, in Feuerwehr-vereinen etc. und tragen andererseits wesentlich zum Wiederaufbau von Dienstleistungen in der nun gemischtsprachigen Gesellschaft bei. Damit beginnt sich in der Region ein neues Selbstverständnis aufzubauen. Eine Überwindung der – teils aus der Bismarck-Zeit geerbten – antipolnischen Reflexe wird denkbar.

Ins Grundsätzliche gewendet, könnte man die Hypothese aufstellen, daß die ökonomischen Effekte Wirkungen einer kulturellen Infiltration sind: Eine zur Hauptsache gesellschaftliche (kulturelle) Vitalisierung resultiert aus dem Zusammentreffen von eingefahrenen Denkmustern in Mehrheitsbevölkerungen mit kreativen Anregungen aus Minderheitsbevölkerungen. Die daraus erfolgenden ökonomischen Effekte sind ein Resultat der kulturellen Verschmelzung von Lebensmustern, Stilen und Praktiken, an der wiederum beide Bevölkerungsteile beteiligt sind. Diejenigen aus der Mehrheitsbevölkerung bilden soziologisch häufig selber eine Minderheit, weil sie die Integration mit den Fremden wagen.

Sprach-, Kultur-, Politik-, Wirtschafts-, Rechts- und Naturwissenschaftler sind im Rahmen des Collegium Pontes 2009 aufgerufen zu einer Analyse, wer von einer positiven Diskriminierung von Minderheiten profitiert. Wieweit ist der Vorteil für alle im Blick bisheriger Untersuchungen? Sie sind aber auch aufgerufen, Strategien zu bedenken, ihre Erkenntnisse den jeweiligen Mehrheitsbevölkerungen zu übermitteln und – durch die Auflösung des Widerspruchs zwischen dem juridischen Diskriminierungsverbot von Art 3 III GG und den faktischen Stereotypen weiter Bevölkerungskreise – zum inneren Frieden der Länder beizutragen.